Der eine Gott – dreimal heilig in seiner Offenbarung

Meine Themenformulierung geht davon aus, dass das Christentum als Offenbarung Wert darauf legt, eine monotheistische Religion zu sein. Am Beginn des Christwerdens steht aber die Spendung der Taufe „Im Namen des Vaters und des Sohns und des Heiligen Geistes“. Ist dies ein Widerspruch? Im Folgenden knüpfe ich an der Lehre der frühen Konzilien der Christenheit an, die auch der Islam bereits kennen konnte, mit dem anfanghaft das Gespräch aufgenommen werden soll.

  1. Das maßgebliche Bekenntnis der Christenheit zur Offenbarung Gottes

Das große Glaubensbekenntnis der Christenheit beginnt mit den Worten: „Wir glauben an einen Gott. (Pisteuomen eis hena theon). So in den Konzilien von Nizäa (325) und Konstantinopel (381). (Vgl. J. Wohlmuth, Hg., Dekrete der ökumenischen Konzilien. Bd. 1. Paderborn u.a. 32002, 5 und 24.) Mit diesem ersten Satz stellt sich die Christenheit an die Seite des Judentums und seines Bekenntnisses im Schemá Israel: „Höre Israel, Adonai unser Gott, Adonai ist einer.“ (Dtn 6,4) Die erste Sure des Koran beginnt entsprechend „Im Namen Gottes, des Allerbarmenden und Barmherzigen […]“ (Vgl. H. Zirker: Der Koran. Zweite überarb. Auflage. Darmstadt 2007, 15.) Doch sofort erhebt sich die Frage, ob die Fortsetzung des christlichen Bekenntnisses nicht genau diesen einen Gott, der sich als „Ich bin der Ich bin“ am Dornbusch geoffenbart hat (vgl. Ex 3,14) und als der dreimal Heilige in Jes 6,3 von den Serafim besungen wird, durch den folgenden Text nicht durch „Beigesellungen“ zählbar gemacht und so die strenge Einheit aufgelöst wird.

Das Problem besteht noch nicht darin, dass Gott Schöpfer Himmels und der Erde, alles Sichtbaren und Unsichtbaren genannt wird. Dies entspricht nicht nur jüdischem Schöpfungsglauben, sondern klingt auch in der ersten Sure des Koran bereits an, wo Gott der „Herr aller Welt“ genannt wird. Das Problem beginnt aber mit dem weiteren Text, der in einem Atemzug dem Bekenntnis zum einen Schöpfergott das Bekenntnis zu Jesus Christus hinzufügt, das in wörtlicher Übersetzung lautet: „und an einen Herrn Jesus Christus, den einzigen Sohn d(ies)es Gottes, den aus dem Vater Geborenen vor all den Äonen“. Hier beginnt das schier unmöglich Sagbare. Der Name Jesus, versehen mit zwei Titeln, Kyrios (Herr) und Christos (Christus/Messias), erinnert an die griechische Übersetzung des hebräischen Tetragramms JHWH und an den königlichen Titel des Gesalbten. Die Christenheit glaubt an ELOHIM ECHAD, der in Jesus von Nazareth als heis kyrios (ein Herr) offenbar geworden ist. Diesem Bekenntnis ist weder das Judentum gefolgt, noch muss man im Koran sehr lange blättern, ohne den Argwohn zu lesen, der besagt, die ungläubigen Leute der Schrift – das sind wohl die Christen – würden Gott „Partner beigeben“ (Sure 1,105). In Sure 5,73-75 heißt es: „Ungläubig sind, die sagen: ‚Gott ist der Dritte von dreien.’ Kein Gott ist außer einem einzigen. […] Christus, der Sohn Marias, ist nur ein Gesandter – Schon vor ihm gab es Gesandte, und seine Mutter eine Wahrhaftige. Beide aßen stets. […]“ Das Glaubensbekenntnis von Nizäa und Konstantinopel zeigt eindeutig, dass Jesus im vollen Sinn Mensch war wie Maria und dass nur von Jesus eine ewige Geburt aus Gott gelehrt wird, nicht aber von Maria.

Das Glaubensbekenntnis wagt einen riskanten Blick in die unvordenkliche Ewigkeit Gottes, um über Jesu Herkunft und göttliches Wesen so zu sprechen, dass die über sein Menschsein gemachten Aussagen davon getragen, nicht aber erdrückt werden. Missverständnisse mussten abgewehrt werden. Zunächst darf der Ausdruck „aus dem Vater geboren“ nicht in derselben Konkretheit verstanden werden wie „aus Maria geboren“; denn die Geburt aus Gott bedeutet näherhin „Gott aus Gott, Licht aus Licht, wahrer Gott aus wahrem Gott“. Der Verdacht eines zeitlichen Nacheinanders und damit einer möglichen Verdoppelung Gottes musste ausgeschlossen werden; denn wenn ein wahrer Gott zuerst da wäre, und ein anderer wahrer Gott dann geboren würde, wäre dies bereits eine „Beigesellung“, wie Judentum und Islam immer wieder gemutmaßt haben. Die Sprache des Bekenntnisses betont deshalb präzisierend, die ewige Geburt („geboren“: gennäthenta) sei nicht gleichbedeutend mit Geschaffensein (ou poiäthenta). Deshalb bedeute die Geburt Gottes aus Gott keine Verdoppelung der Gottheit; denn – so wird begründend hinzugefügt –, der Gebärende und der Geborene sind „gleichen Wesens“ (homoousion).

Es ist hinreichend bekannt, dass sich hinter den Formulierungen des Glaubensbekenntnisses schwierigste philosophische Probleme mittelplatonischer Tradition verbergen, wonach die göttliche Monas absolut eine einzige sein müsse, so dass alle Aspekte der Mehr- oder Vielfalt bereits in den Bereich des Geschaffenen gehören. Das Wort homoousios wurde dafür zum Signal und bleibt eine Herausforderung für das theologische Verständnis bis zum heutigen Tag.

Der insgesamt in gehobener Prosa rhythmisierte Text stellt die Lebensgeschichte Jesu vor und lässt erkennen, dass das Bekenntnis der Christenheit vor allem sagen will, wer dieser jüdische Mensch Jesus von Nazareth ist. Offensichtlich hatte Mohammed aus dem, was ihm an Christologie zu seiner Zeit bekannt war, keine Chance, in Jesu Menschsein einen Zugang zu dem zu finden, was sein göttliches Wesen ausmacht. In Sure 4,157f heißt es bezüglich Jesu Tod: „Sie [die Juden] haben ihn [Christus Jesus, den Sohn Marias, Gottes Gesandten] nicht getötet und nicht gekreuzigt, sondern es wurde ihnen der Anschein erweckt. Die über ihn uneins sind, sind über ihn in Zweifel. Sie wissen über ihn nichts, vermuten nur. Sie haben ihn sicher nicht getötet, sondern Gott hat ihn zu sich erhoben. […]

Der christliche Glaube besteht auf dem wirklichen Tod Jesu. Der Koran hat kein Problem, in Jesus einen Gottgesandten zu sehen, dem sogar größere Bedeutung zugesprochen wird als Mohammed selbst. Nach Irenäus von Lyon († um 180 n. Chr.) hat der eine Gott gleichsam „seine eigenen Hände“, d.h. Sohn und Geist, die ständig bei ihm sind, nach der Welt ausgestreckt.

Theologiegeschichtlich hat das Konzil von Nizäa (325) mit der Klausel „und [wir glauben] an den Heiligen Geist“ geschlossen. Innerhalb einer Generation wurde aber die Frage, wer dieser Heilige Geist sei ebenso wichtig wie die bereits behandelte Frage, wer Jesus sei. Im folgenden Konzil von Konstantinopel (381) wurde die Frage beantwortet. Ihm gebührt Anbetung und Verherrlichung mit dem Vater und dem Sohn. Da aber Anbetung und Verherrlichung nur Gott gebühren, gehört auch der Heilige Geist, dessen schöpferische Kraft die zeitliche Geburt Jesu aus Maria bewirkt hat, in das eine göttliche Wesen hinein. Von diesem Geist wird auch noch gesagt, dass er die inspirierende Kraft der Propheten gewesen sei. Er hat „durch die Propheten gesprochen“, womit nach allgemeiner Auslegung die Propheten Israels gemeint sind.

  1. Theologische Vertiefung

Für die christliche Theologie und Lebensgestaltung hängt nicht wenig davon ab, ob es gelingt, mit der Gleichrangigkeit von Vater, Sohn und Heiligem Geist zugleich deren Eigentümlichkeiten herauszustellen. Nur der Sohn ist es, der als Mensch durch Leiden und Tod in die Herrlichkeit Gottes eingeht, um uns Heil und Rettung zu bringen, und nur der Heilige Geist ist es, der in unsere Herzen ausgegossen werden kann, und nur der Vater ist es, der als Ursprung ohne Ursprung durch Sohn und Geist die Hände in Barmherzigkeit nach uns ausstreckt. Im Konzil von Chalkedon (451) wurde eine offizielle Interpretation des Bekenntnisses von 325/381 vorgelegt, die noch einmal ganz maßgeblich die Frage behandelt, wer Jesus von Nazareth ist, und zugleich einen Schlüssel für das Verständnis des Gott-Mensch- und Gott-Welt-Verhältnisses liefert. Es war Karl Rahner, der betonte, dass es eine chalkedonische Hermeneutik gibt, die für die gesamte christliche Theologie von weichenstellender Bedeutung sei, indem sie Theologie und Anthropologie engstens miteinander verbindet und so das Verhältnis von Gott und Geschöpf von der Christologie her bedenkt.

So stehen wir nach christlicher Überzeugung durch Jesus Christus im Heiligen Geist vor dem unergründlichen Mysterium Gottes. In einer gewagten Kurzformel könnte man in der Christologie die Interpretation Jesu als Pro-Existenz, d.h. als Selbsthingabe bis in den Tod, verstehen, aus der die Gabe des Heiligen Geistes hervorgeht. In beiden tut sich das Mysterium des einen Gottes kund. Jesu Menschsein ist gleichsam die ausgestreckte Hand des Vaters nach uns, der Heilige Geist ist die Offenbarung der unendlichen Liebe dieses einen Gottes, die ausgegossen ist in unsere Herzen (vgl. Röm 5,5). Gott ist Liebe wird zur ntl. Kürzestformel des Glaubens an den einen Gott und seine Verhaltensweise in Ewigkeit und Zeit zu uns und zu sich selbst. Deshalb heißt es auch vom wahrhaft inspirierten Getauften in 1 Joh 4,8: „Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt, denn Gott ist Liebe (hoti ho theos agapä estin).

Eine der Brücken in der Argumentation stellt seit Augustinus die Analogie mit dem Bewusstsein des gottebenbildlich geschaffenen Menschen dar. In den berühmten Ternaren zeigt Augustinus nämlich, dass das menschliche Bewusstsein in sich eine differenzierte Beziehungsgröße darstellt, die möglicherweise – wie bei Thomas von Aquin aufgegriffen – auf der These beruht, dass es in der Trinität nicht um ein Zählen von eins bis drei geht, sondern eher um eine (wie wir heute sagen würden) Zahlentheorie, wonach alle Wirklichkeit zu betrachten ist, wodurch etwas ist, sich unterscheidet und übereinstimmt ( quo existit, quo differt und quo congruit). Einheit ist mit Differenz und Kongruenz zusammen zu denken. Nicht von ungefähr führt die Grundgestalt des christlichen Gebetes von der Gemeinschaft (quo congruit) im Heiligen Geist durch Jesus Christus ( quo differt) zu Gott dem Vater (quo existit) empor.

Das Gebet kehrt auf diese Weise die sprachliche Folge des Glaubensbekenntnisses um, indem es in der Gemeinschaft der Glaubenden im Heiligen Geist ( in unitate spiritus sancti) beginnt und durch Jesus Christus (per Jesum Christum) Gott dem Vater (deo patri) Ehre und Verherrlichung erweist. Der eine Gott in uns, bei uns und über uns bezieht die Betenden in das trinitarische Leben mit ein. So bleibt der Gesang des Dreimalheilig im Hochgebet der Eucharistie der Lobpreis des einen Gottes.