Meister Eckhart ist geb. ca. 1260, Seine Herkunft aus dem Ministerialengeschlecht von Hochheim (Eigenname) ist mit der Burg Tambach bei Dietharz in Thüringen verbunden. (Heute eine Ruine im Wald). Vermutlich mit 14 Jahren Eintritt in das Dominikanerkloster Erfurt. Ausbildung am Generalstudium in Köln, auch in Paris (1277). Baccalaureus in Paris, Lector in Paris 1293/94, Sentenzenkommentar (lat.).
Prior in Erfurt 1294-1298, Reden der Unterweisung (dt.), Magister sacrae scripturae in Paris, 1302/1303, Quaestio über den Intellekt, lat. Bibelkommentare (nicht alle erhalten).
1303-1311 Provinzial der Provinz Saxonia, Sitz in Erfurt, lat. Predigten, dt. Predigten.
1311-1313 wieder Magister in Paris, Questiones Parisienses, Opus tripartitum.
1313-1322 Vikar des Ordensgenerals mit besonderen Aufgaben, nachweisbar zeitweise in Straßburg, vermutlich vor allem in Köln als Professor am Generalstudium, dt. Predigten und Traktate („Buch der göttlichen Tröstung“), 1323-1327 Leiter des Generalstudiums.
Akademischer Prozess (mit Freispruch) und Inquisitionsprozess in Köln, aufgrund eines öffentlichen Reinigungseides Eckharts und seines Appells an den Papst, verlegt nach Avignon (dort nicht mehr Inquisition, sondern Lehrprüfungsverfahren!), dort 1328 gestorben.
27.3.1329: Auf Wunsch des Kölner Erzbischofs, Heinrich von Virneburg wird die Bulle Papst Johannes XXII, in der Sätze aus Eckharts Schriften als häretisch klingend verurteilt werden, ausgeliefert und auf Wunsch des Papstes nur in der Kölner Diözese publiziert.
Historische Kontexte: Beginentum, Armutstreit, erwachende bürgerliche Frömmigkeit (vgl. gotische Hallenkirchen), Häresiebekämpfung des Konzils von Vienne (1311-1313).
Eckhart als bedeutender Philosoph steht in der Tradition der arabischen Philosophie und ihrer Rezeption in der Hochscholastik (vgl. Kurt Flasch). In der Erkenntnistheorie ist er „Realist“ (zu gleicher Zeit „Nominalismus“ bei Occam).
Eckhart als bedeutender Theologe schließt sich häufig an Augustinus an, zentrale Themen sind jedoch die Schöpfung „im Ursprung“ (Joh 1,1,: „in principio“) und die „Gottesgeburt“ (vgl. Christine Büchner), sowie eine besondere Bildtheologie (vgl. Mauritius Wilde).
Eckhart als spiritueller „lebemeister“ hält dieses intellektuelle Niveau und erreicht es dennoch, auch „Ungelehrte“ in der Volkssprache zu interessieren. (Grund des Inquisitionsprozesses) Dies hängt mit seiner Sprache zusammen, die „Bilder mit Bildern überwindet“ (Seuse) , auch mit der starken Wahrheitsergriffenheit des Predigers, teilweise mit seiner „Publikumbeschimpfung“ bzw. an der Dekonstruktion bewährter Formen der Spiritualität, letztlich aber wohl auch damit, daß in der Predigt eine besondere Kommunikation um das Interesse einer Teilhabe am göttlichen Leben entstand oder bestärkt wurde.
Themen des Lebemeisters:
Unaufhörliche Schöpfung (Gott in allen Dingen, Kreatur als Buch) und Gottesgeburt; Teilhabe am göttlichen Werdeprozess, Ewigkeit und Zeit, Urbild und Abbild, Gelassenheit und Abgeschiedenheit; Armut im Sein: Gerechtigkeit im absoluten Sinn; Erkenntnis und Liebe in wechselseitiger Steigerung; Selbstfindung und Selbstlosigkeit; Demut (Humilitas, Suche nach Tiefe, Erde und Leiblichkeit) und „Hochmut“ („irascibilis“, „magnaminitas“); Einheit im Wirken: „Gott wirkt und ich werde“; „Wirken ohne Worumwillen“: das „Woraus ich wirke“ ist wichtiger, als woraufhin ich wirke; Weiselosigkeit des Gottfindens (Dekonstruktion spiritueller Garantien und Rezepte).
Meister Eckhart hat den Unterschied zwischen sich selbst und Thomas von Aquin, nicht ohne Humor, so beschrieben: Thomas sei davon fasziniert, wie verschieden alle Grashalme seien, er hingegen darüber, dass sie sich so sehr glichen. Thomas interessiert sich für die Differenz, und er differenzierte die Argumente pro und contra zu einer Hypothese, um eine bessere Begründung oder eine neue Synthese zu erreichen. Eckhart interessiert sich für das allen Geschöpfen gemeinsame Sein, das Gott ist („esse est Deus“). Ohne die Spende des göttlichen Seins wären alle Kreaturen nicht „beinahe nichts“ (Thomas) sondern „völlig nichts“ (purum nihil). Dass aber die Geschöpfe existieren, liegt daran, dass Gott in jedem Augenblick das Sein sendet. Schöpfung ist in diesem Sinne anfangs- und endlos, da sie quer zum geschichtlichen Zeitablauf steht. Ewigkeit ist eben keine verlängerte Zeit, sondern eine andere, völlig neue Dimension. Aber dies ist die Dimension, aus der wir stammen. Eckhart stellt sich dieses Hervorgehen mit dem Ziel des Zurückkehrens aller Geschöpfe zu ihrem idealen Sein in Gott als einen Prozess, als ein Geschehen vor, durchdrungen von Gott, der „lauteres Wirken“ (actus purus) ist. Wir sollen das „Mitwirken“ mit diesem Wirken lernen, indem wir alle Geschöpfe in uns selbst auf den Weg zu Gott sammeln, denn sie sind „voll Gottes und ein Buch Gottes“. Lesen wir aber „Gott“ in seinen Büchern der Schöpfung und der Offenbarung, dann bleibt uns doch seine „Gottheit“ in sich selbst verborgen.
Thomas konnte aus seiner Differenz eine rationale Ethik entwickeln. Eckhart macht einmal darauf aufmerksam, dass schon die heidnischen Philosophen in der Differenz stärker waren und die „Tugenden im einzelnen“ besser erkannten als der „Mystiker“, der immer zugleich sich selbst in Gott sieht. Aus dieser Perspektive nimmt man die Unterschiede nicht so wahr. Selbst in der Nacht verspürt man die Wärme noch, die die anwesende Tagessonne hinterlassen hat, und man schließt im Dunkel von der Wärme auf das Licht, aus dem man kam.
Johannes Tauler (1300-1361), der die Lehre des Meisters gut kannte, sagte zu Eckhart und zu dem Konflikt, den er mit der Inquisition ertragen musste: „Er sprach aus der Ewigkeit, und ihr versteht es nach der Zeit.“ In der Tat, die prozessuale Einheit von Gott und Mensch, oft auch als Geburt aus dem Schoße Gottes und Widergeburt (nicht Wiedergeburt) in denselben verstanden, ist nicht nach dem Muster der Verschmelzung verschiedener Dinge zu verstehen, sondern anders, was Eckhart in vielen Bildern ausdrückt: das Siegel drückt sich durch das Wachs, im Vollzug besteht eine Einheit, in der Substanz eine Trennung. Oder: man sieht die Lichtstrahlen in einem Becken mit Wasser nur gebrochen, und doch gelangt man zum Licht, wenn man sich dem Lichtstrahl für den Rückweg anvertraut. „Fragte man mich“, so Eckhart zu seinen Brüdern im Dominikanerorden, „Bruder Eckhart, wann kamt ihr aus dem Hause? So bin ich darinnen gewesen“. „Wie wunderbar, draußen zu stehen und drinnen“, ruft der Prediger, der die Rückkehr in den Schoß Gottes als „Durchbruch“ durch die Schichten der Verdunkelung begreift, ein Durchbruch, der durch Gelassenheit, Selbstvergessenheit und Besinnung auf den „Adel der menschlichen Natur“ vorbereitet wird. Erkennbar wird der neue Zustand daran, daß der Mensch sich praktisch im Sinne des göttlichen Wirkens, also in der Liebe verändert.
Indem Eckhart, der Lehrmeister (Magister), der zum Lebemeister wurde, seine Zuhörerinnen in die Mitteilung des göttlichen Lebens in uns einbezog, schuf er durch sein Wort die Atmosphäre eines anderen Zustandes, in welchem sich, glaubt man Zeugnissen und Legenden um ihn, viele Menschen geborgen und wie neu geboren fühlten.