Im Jahre 529 hebt Kaiser Justinian die von Platon gegründete athenische Akademie nach 900jährigem Bestand auf und zieht ihre Güter ein; die letzten sieben dort lehrenden Philosophen wandern nach Persien aus.
Im selben Jahr 529 zerstört Benedikt von Nursia das letzte auf italischem Boden verbliebene Apollo-Heiligtum auf dem Monte Cassino und gründet an dieser Stelle das Mutterkloster des Benediktinerordens.
Beide Ereignisse sind zwei späte Vollzugshandlungen eines tiefgreifenden Wandlungsprozesses, der schon mehr als 200 Jahre vorher eingesetzt hat.
Schon 136 Jahre früher, im Jahr 393, wurden zum letzten Mal die Olympischen Spiele gefeiert, und einer fast 1200jährigen Tradition ein Ende gesetzt. Gleichzeitig verstummte auch das hochehrwürdige, über 1200 Jahre alte Orakel von Delphi.

Thema des Referats war der Untergang einer Lebensart, der sozialen, religiösen und politischen Bestimmungsfaktoren dieser Lebensart, der Untergang einer „Leitkultur“. Andererseits auch die Kräfte, die das Alte, Abgelebte, Nicht-mehr-Lebbare überwunden und das Neue, Angemessenere, Zuträgliche, Lebbare gewagt und gestaltet haben. Immerhin hat Konstantin I. im 4. Jahrhundert das damals 1100 Jahre alte Römische Reich von Grund auf restauriert und auf neue Grundlagen gestellt, so dass es – zumindest im östlichen Mittelmeer – noch weitere 11 Jahrhunderte lang fortlebte.
Es ist klar, dass sich in solch bemerkenswert langen Zeiträumen die Lebensweisen, die Gesellschaftsstruktur, die Staatsverfassung, die Kultur, die allgemeinen Überzeugungen und Weltanschauungen tiefgreifend ändern. Manches stirbt ab, manches verdunstet, manches wird ganz bewusst überwunden und zu Grabe getragen, auch gewaltsam abgeschafft; manches entsteht neu, gewinnt Gestalt, ändert die Gestalt auch, manches wird mit Nachdruck eingepflanzt oder – wieder mit legaler oder illegaler Gewalt – als Kriterium der Zugehörigkeit zur staatlich verfassten menschlichen Gemeinschaft abverlangt.
Unter diesem Gesichtspunkt wurde im Referat die Entwicklung der griechisch-römisch-hellenistischen Religion, des Judentums und des Christentums im Imperium Romanum bis zum Beginn des 4. Jahrhunderts skizziert, bis zum Toleranzedikt von Kaiser Galerius im Jahre 311 und der Mailänder Vereinbarung zwischen Licinius und Konstantin von 313.
Nachdem sich Konstantin als Alleinherrscher durchgesetzt hatte (ab 324) und unter seinen Söhnen herrschte zwar de iure Religionsfreiheit, doch wurde von den Kaisern alles unternommen, um das Christentum zu privilegieren und das Heidentum zu schädigen.
Der Restaurationsversuch Kaiser Julians (361-363), der verfallene Tempel wieder aufbauen und traditionelle heidnische Feste wiederbeleben ließ, scheiterte kläglich.
380 wurde in Thessalonike vom Kaiser des Ostens, Theodosios I., und den beiden (noch kindlichen) Kaisern des Westens, Gratian und Valentinian II., das sogenannte Drei-Kaiser-Edikt „Cunctos populos“ verabschiedet. Es gilt als ein wesentlicher Schritt, um das Christentum zur Staatsreligion zu machen. Es war ein politischer Erlass mit dem Ziel der Reichseinigung im Zeichen der römisch-alexandrinischen Dreifaltigkeitslehre. Eine vorherige Konsultation mit kirchlichen Vertretern gab es nicht (dennoch bildete das Edikt die kirchenrechtliche Rechtsgrundlage für das im 13. Jahrhundert ins Leben gerufene Amt der Inquisition).
Nach dem frühen Tod der beiden westlichen Kaiser wurde Theodosios 392 Alleinherrscher im gesamten Reich und verschaffte dem Edikt auch tatsächliche Geltung. Diejenigen, die sich nicht daran halten, so das Edikt, „soll vorab die göttliche Vergeltung, dann aber auch unsere Strafgerechtigkeit ereilen, die uns durch himmlisches Urteil (caelesti arbitrio) übertragen worden ist.“ Andererseits verfügte er, dass kein römischer Kaiser mehr Pontifex Maximus sein sollte – der Titel war nun frei geworden und sollte dann auf das römische Papsttum übergehen. 392 verbot Theodosios schließlich die heidnischen Kulte und ihre Ausübung.