1. Rückschau Reformationsjubiläum

Das Reformationsjahr hat bereits kurz nach dessen eigentlichem Ende eine sehr zwiespältige Bewertung erfahren. Sehr viele ökumenisch engagierte Christen heben den versöhnenden Charakter hervor. Dieser war allerdings – dies kann man kritisch sehen – hauptsächlich und bis auf manche Ausnahme auf die Annäherung zwischen Evangelischen Landeskirchen und Katholischer Kirche bzw. zwischen Selbstständig Lutherischen Kirchen und Evangelischer Kirche oder Lutherischem Weltbund und Katholischer Kirche beschränkt. Noch weithin ungeklärt ist dagegen das innere Verhältnis zwischen Evangelisch bzw. lutherischen Kirchen und den anderen im Zuge der Reformation entstehenden Kirchen/Glaubensgemeinschaften (Herrenhuter Brüdergemeine, Hussiten, Mennoniten, Baptisten, vor allem aber auch reformierte Kirchen) und welche Beziehung diese auch zur römisch-katholischen Kirche haben. Diese Schwierigkeit der multilateralen Ökumene ist im Reformationsjahr oftmals ausgeblendet worden – bei aller Freude über viele Formen der Annäherungen. Deshalb ist es auch verständlich, wenn von einigen Theologen das Wort „Kuschel-Ökumene“ fällt. Neben positiven Bewertungen hat vielen der „Inhalt“ gefehlt, wobei hier zu unterscheiden ist: Manchen Theologen hat eine historische Aufarbeitung und Diskussion der Geschehnisse 1517 auf höherem Level gefehlt, andere wiederum haben sich für eine klarere Fokussierung auf das, was „evangelische“ oder „katholische“ Theologie sei ausgesprochen und damit doch ein wenig Salz in die ökumenische Annäherung gestreut.

Die Aufarbeitung der Reformation wird auch 500 Jahre nach dem in der Vergangenheit als deutschen Gründungsmythos missbrauchten „Thesenanschlag“ nicht von heute auf morgen aufhören. Hierfür sind viele Erkenntnisse aus der historischen und systematischen Erforschung der Reformationsgeschichte schlichtweg zu gewichtig. Eine theologische Auseinandersetzung, die zu einer tatsächlichen perspektivischen Verständigung führt – wozu es eben gerade auch gehört, Trennendes zu benennen, um sodann Möglichkeiten und Wege zu suchen, sich einander anzunähern – diese Chance ist im Großen und Ganzen leider verpasst worden. Dennoch ist die Verständigung miteinander eine Chance: Hier kann der Beginn einer anderen Form von Auseinandersetzung, für die das letzte Jahr mit dem Gedanken „Healing of memories“ entscheidend war, liegen. Man könnte also zusammenfassend und stark verkürzt sagen: Ja, die theologische Dimension hat im letzten Jahr oftmals gefehlt. Ja, viele Debatten, die im letzten Jahr in der Öffentlichkeit geführt wurden, waren ermüdend für den, der sich einigermaßen mit Ökumene und der Reformation beschäftigt hat. An dieser Stelle ist die ewig gleiche Leier von Luther dem Antisemiten hervorzuheben, insbesondere vor dem heute wieder steigenden Antisemitismus. Hier zeigt sich deutlich, dass man eher gewillt ist, vermeintliche Sündenböcke aus der Vergangenheit ins kollektive Bewusstsein zu rufen, als die ganz anderen Schwierigkeiten in der Gegenwart anzugehen. Hinzu kamen medial grotesk aufgeputschte Situation, wie etwa beim Ablegen des Brustkreuzes von Kardinal Marx und Landesbischof Bedford-Strohm bei ihrem Besuch in Jerusalem. Daraus folgte bisweilen, „echte“ Ökumene würde zu einer Verleugnung Christi führen (ein gefundenes Fressen somit für Ökumene-Gegner in allen Lagern) bzw. es wurde auch in die Kerbe gehauen „der Islam ist intolerant“, ohne dabei zu erwähnen, dass beide ihr Kreuz auch an der Klagemauer abgelegt hatten – aus Respekt. Zumal wir auch nicht vergessen dürfen, dass zwei deutsche Geistliche nach Jerusalem kamen…kurzum: das Reformationsjahr hat viel dafür getan, den Eindruck zu vermitteln, als ginge es gerade nicht um eine echte theologische Diskussion, einen ernst zu nehmenden Diskurs.

Und dennoch verbleibt ein neues Miteinander, das ich vor allem als atmosphärischen Gewinn bezeichnen möchte. Das hat zwar mit Theologie zunächst wenig zu tun. Allerdings hat das Reformationsjahr zu einer neuen Verständigungsbereitschaft zwischen den benannten Großkirchen geführt – mit dem Dilemma, dass multilaterale Ökumene an vielen Stellen unterdrückt wurde oder keine Rolle spielte.

2. Eine Möglichkeit zur künftigen Verständigung: Die „Confessio Augustana“

Die Confessio Augustana stand vor der Aufarbeitung ab 1974 1 oftmals im Verdacht, von Melanchthon voller Zugeständnisse an die römisch-katholische Kirche und darum als implizite Selbstaufgabe des evangelischen Glaubens geschrieben worden zu sein. 2 Luther hätte Melanchthons Werk missbilligt, so der Vorwurf. 3

Das führte insbesondere um 1980, dem 450. Jubiläum der CA, zur Frage, in wieweit diese Bekenntnisschrift eigentlich innerhalb der evangelischen Kirche Anerkennung findet 4 - aus katholischer Perspektive keine unwesentliche Frage, würde eine einseitige katholische Anerkennung doch nicht weiterführen, solange die CA im evangelischen Glauben keine tiefere Verbindlichkeit besitzt oder einzufordern vermag. 5

Wenn man entscheidende Vor-urteile der Reformation bedenkt, wird zumeist der Vorwurf laut, es gebe in den reformatorischen Kirchen keine Realpräsenz. Dieser Gedanke ist zumindest mit der CA nicht zu halten:

„Vom heiligen Abendmahl des Herrn wird gelehrt, daß der wahre Leib und das wahre Blut Christi wirklich unter der Gestalt von Brot und Wein im Abendmahl gegenwärtig sind und dort ausgeteilt und empfangen werden. Entgegenstehende Lehre wird deshalb verworfen.“ 6

Die mit der Eucharistie zusammenhängenden Fragen sind im Wesentlichen geklärt und dennoch gibt es eine erstaunliche Unkenntnis über das Verständnis der Eucharistie/des Abendmahls in allen Lagern. Diese Frage der Bildung hängt allerdings auch damit zusammen, dass die CA keine besondere Bedeutung hat. So sagte Martin Niemöller in einem Interview 1980:

„Was wir jetzt so exerzieren mit Speyer und Augsburg, das sind alles ausgestopfte Gerippe. Doch man tut so, als wenn das heute lebte. Aber man soll mal einen gewöhnlichen Gemeindepastor fragen, was eigentlich in der Augustana drin steht und was das heute bedeutet. Darüber zerbricht sich kein Aas den Kopf.“ 7

Es ist allerdings zu bemerken, dass eine Rückbesinnung auf die CA als Diskussionsgrundlage zu weitreichenden Formen der Verständigung führen kann, wie sie insbesondere durch den differenzierten Konsens möglich ist. Ein Beispiel dafür ist die Lutherisch-Katholischen Dialogkommission Finnlands mit ihrer jüngsten Veröffentlichung. (Titel:Communion in Growth. Declaration on the Church, Eucharist, and Ministry. A Report from the Lutheran-Catholic Dialogue Commission for Finland, Helsinki 2017). So kann man in diesem Bericht lesen: „Ekklesiologie wurde schon lange identifiziert als Hauptfrage für ökumenische Entwicklung. Ekklesiologie gibt den Rahmen für ein Verstehen des Amtes und der Sakramente. Wenn eine engere Einheit zwischen den Kirchen erzielt werden soll, ist ein differenzierter Konsens mit Blick auf das ekklesiologische Selbstverständnis dazu nötig, als eine gemeinsame Basis für Annäherung und Versöhnung.“ (Communion in Growth, 12). Die Erklärung legt also den differenzierten Konsens als methodische Herangehensweise nahe, um so das ekklesiologische Selbstverständnis zu betrachten und dadurch Gemeinsamkeiten, aber auch Verschiedenheiten benennen zu können, und so Möglichkeiten der „Einheit in Vielheit“ zu markieren.

So können Fortschritte erzielt werden, wo lange dichotomische Unterschiede gesehen wurden: Beispielsweise bei der Rolle der Sichtbarkeit der Kirche (Communion in Growth, 26f.,131f.): Es gibt hier eine Tradition, die einem evangelischen Verständnis von der Kirche als Schöpfung des Wortes (creatio verba), die keine wirkliche Sichtbarkeit hat, ein katholisches Verständnis von der Kirche als Sakrament zur Erlösung der Welt (sacramentum salutis mundi) entgegenstellt. In einem differenzierten Konsens kann hingegen festgehalten werden, dass die Kirche zwar „Zeichen und Werkzeug für die innerste Vereinigung mit Gott und für die Einheit der ganzen Menschheit“ (LG 1) ist, allerdings in der Katholischen Kirche nur subsistiert (LG 8), wodurch also anerkannt wird, dass die Kirche auch creatio verba ist und dadurch nie voll in einer Kirche verwirklicht ist.

Ebenso kann man festhalten, dass es mit der Confessio Augustana (CA 11-13) die Möglichkeit gibt, zwischen zwei Hauptsakramenten (sacramenta maiora) und fünf kleineren Sakramenten (sacramenta minora) zu unterscheiden. Als Zentrum des kirchlichen Handelns gilt nämlich die Eucharistie, in der Christus sich im Altarsakrament selbst vergegenwärtigt (vgl. LG 3;7 u.ö.) 8 und von dem alle anderen Sakramente ausgehen. Sodann ist die Bedeutung des Amtes feststellbar: „Vom Kirchenregiment wird gelehrt, daß niemand in der Kirche öffentlich lehren oder predigen oder die Sakramente reichen soll, der nicht dazu ordnungsgemäß berufen ist.“ (CA 14)

Als schwierige Sache wird oftmals auch das Hirtenamt des Papstes angesehen. Nicht jedoch für die Lutherisch-finnische Kirche: „Wir sehen heute, dass der Bischof von Rom de facto ein Pastor/Hirte nicht nur für Katholiken, aber auch für die Führer und Mitglieder anderer Kirchen ist. Wir empfehlen, dass Lutheraner und Katholiken weiterhin zusammen über die Bedeutung des Petrusamtes für die heutige Kirche nachdenken, als Antwort auf die Einladung von Papst Johannes Paul II., die er in seiner Enzyklika „Ut unum sint“ ausgesprochen hat, um zu überlegen, wie der Bischof von Rom sein Amt in Gemeinschaft mit anderen Kirchen ausüben kann.“ (Communion in Growth, 355). Und es geht sogar noch weiter: „Kirchliche Gemeinschaft mit der katholischen Kirche und mit dem Bischof von Rom würde unter den gegebenen Voraussetzungen bedeuten, dass die Kirchen in der Lutherischen Gemeinschaft weiterhin eine verschiedene liturgische und justizielle Struktur haben und die Mitgliedskirchen treu zu den ökumenischen Pflichten, die sie mit anderen Kirchen eingegangen sind, stehen müssen, aber in Gemeinschaft mit dem Papst als Zeichen der universalen Gemeinschaft lokaler Kirchen stehen würden.“ (Communion in Growth, 364). So gibt es durch den differenzierten Konsensus, der sich auf die älteren Lehrschriften beruft und sie ohne konfessionelle Sondergutgedanken liest, eine Möglichkeit der Annäherung, wo vorher dichotomische Unterschiede gesehen wurden. Sodann kann man sich auch anderen Fragen widmen, z.B. die genaue Rolle der kleineren Sakramente, die Beziehung zwischen dem Wort Gottes, wie es in der Heiligen Schrift geschrieben ist, und der Rolle von Tradition (die aber vor allem auf Evangelischer Seite noch geklärt werden muss – man denke an die Versuche, das Alte Testament vom Kanon abzutrennen), Frauenordination etc. pp. (vgl. Communion in Growth 366).

3. Der Dialog zwischen orthodoxer und römisch-katholischer Kirche

Der Kontakt zwischen orthodoxer und römisch-katholischer Kirche war vor gar nicht allzu langer Zeit schwer getrübt gewesen. Dafür war vor allem die Existenz der mit Rom unierten Ostkirchen (z.B. Melkiten, Maroniten, ukrainisch-katholische Kirche etc.) verantwortlich gewesen.

Eine Besserung wurde nach den harten Kontroversen im 20. Jahrhundert (man denke nur an die Vorwürfe des Uniatismus, insbesondere seitens der russisch-orthodoxen Kirche) nur allmählich erreicht, vor allem durch die Enzyklika „Ut unum sint“ von Papst Johannes Paul II. aus dem Jahr 1995. Im Reformationsjubiläum spielte der orthodox-katholische Dialog eine mehr als untergeordnete Rolle. Das ist umso prekärer, als gerade eine Vielzahl an orientalischen Christen in unser Land kommen, mit denen es noch viel weniger Dialogaktivität gibt. Doch möchte ich jetzt nicht den Rahmen zu sehr erweitern und auch noch das schwierige Miteinander mit orientalischen Kirchen ansprechen.

Immerhin ist die Frage des Uniatismus weitgehend gelöst. Während die Kirchenunion im früheren und vor allem orthodoxen Selbstverständnis die Diskussion zweier gleichrangiger Kirchen meint, ein Schisma zu überwinden, ist unter Uniatismus gemäß der Erklärung von Balamand (Libanon) folgendes zu verstehen:

"Der Ausdruck 'Uniatismus' bezeichnet hier den Versuch, die Einheit der Kirche durch Trennung von Gemeinden und orthodoxen Gläubigen von der orthodoxen Kirche zu verwirklichen, ohne zu bedenken, dass nach der Ekklesiologie die orthodoxe Kirche eine Schwesterkirche ist, die selbst Gnaden- und Heilsmittel anbietet. In diesem Sinn und entsprechend dem von der Unterkommission von Wien (1990) erstellten Dokument verwerfen wir den 'Uniatismus' als Weg zur Einheit, weil er der gemeinsamen Tradition unserer Kirchen widerspricht" (Pkt. 6b)

Nachdem bereits 1965 Papst Paul VI. und dem Ökumenischen Patriarchen Athenagoras I. das gegenseitige Anathema aufgehoben wurde (7. Dezember 1965) und gegenseitige Besuche des Papstes im Phanar und des Patriarchen in Rom stattfanden, begann zwar zunächst ein Tauwetter zwischen Orthodoxie und Katholischer Kirche. Allerdings musste erst die Frage der Rolle der mit Rom unierten Kirchen geklärt werden, waren diese doch ein Stein des Anstoßes, weil von der Orthodoxie nicht als unierte Kirchen anerkannt.

Die große Frage, die sich mittlerweile im Dialog mit der Orthodoxie stellt ist, nach der Überwindung trennender Hindernisse durch die Gesprächsdokumente der Gemeinsamen Kommission, vor allem in der Theologie des Papstamtes begründet.

In „Ut unum sint“ 95 fordert Papst Johannes Paul II., dass es eine wichtige Aufgabe sei „eine Form der Primatsausübung zu finden, die zwar keineswegs auf das Wesentliche ihrer Sendung verzichtet, sich aber einer neuen Situation öffnet.“ In ähnlicher Weise wird in der vom damaligen Präfekten der Glaubenskongregation, Kardinal Ratzinger, unterzeichneten „Der Primat des Nachfolgers Petri im Geheimnis der Kirche“ zwischen der Primatsausübung und der Primatslehre geschieden. Das heißt also, dass der Primatsanspruch des Papstes, im Griechischen wird ihm die Rolle des Koryphäen zugewiesen, für die Katholische Kirche Teil der dogmatischen Wahrheit ist, während für die Orthodoxe Kirche zwar eine Vorrangstellung im Sinne eines „primus inter pares“ nach der vollen Wiederherstellung der Einheit mit der katholischen Kirche (verstanden als Prozess der Einigung zwischen Schwesterkirchen) ohne weiteres zu übernehmen wäre. Dies hat aber gerade kein Fundament im Sinne einer Glaubenswahrheit, also einer göttlichen Wahrheit. Damit ist der kanonische und theologische Status des Primatsanspruchs strukturell voneinander verschieden.

Diese Aporie kann auch das jüngste Dokument von Chieti vom 21. September 2016 nicht beheben. Unter dem Titel „Synodalität und Primat im ersten Jahrtausend. Auf dem Weg zu einem gemeinsamen Verständnis im Dienst der Einheit der Kirche“ wurde zwar der wesentliche funktional-strukturelle Unterschied zwischen Orthodoxie und römisch-katholischer Kirche auf den Punkt gebracht. Allerdings muss die Kommission am Schluss nüchtern feststellen oder kann nur fordern, dass „beide Seiten darüber nachdenken, wie Primat, Synodalität und deren wechselseitige Verbundenheit heute und in Zukunft verstanden und ausgeübt werden können.“ (Punkt 21)

Hinsichtlich der Bedeutung der Lokalkirche, insbesondere mit Blick auf die Beziehung zwischen Ortspriester und Ortsbischof, die eine volle kirchliche Gemeinschaft in der Eucharistie durch das sakramentale Band der Weihe überhaupt erst herzustellen vermögen, aber auch was die grundsätzliche synodale Verfasstheit von Kirche angeht, gibt es einen weitreichenden Konsens. Ungeklärt und fast unreflektiert ist aber die Frage, welche Bedeutung eine Einigung hätte, die im einen Fall auf einer Glaubenswahrheit, im anderen Fall auf einer kanonisch-kirchenrechtlichen Anpassung bzw. Auslegung beruht. Der orthodoxe Theologe Ioan Moga schreibt dazu:

„Ich halte es jedoch hier für ehrlich, auf diese Aporie hinzuweisen, statt uns in Diskussionen über das Zueinander von ‚Primat‘ und ‚Synodalität‘ zu verlieren, als würde man damit versuchen, zwei unterschiedliche Leitungssysteme einander anzupassen.“ 9

Zwei Möglichkeiten, die auch Moga anspricht, könnten eine sinnvolle Perspektive für die künftige Diskussion sein:

  1. Christozentrik, also das Verstehen kirchlicher Strukturen aus einem christozentrischen Standpunkt, der das Eschaton mit der Ankunft Christi bereits gekommen sieht und dementsprechend kirchliche Struktur nur als Abbild oder analog-angagogisches Verstehen einer himmlischen Herrlichkeit sehen kann. Dementsprechend liegt die Bedeutung, die Petrus gegeben ist, vor allem in seiner Rolle als Diener, der den Auftrag Christi erfüllt. Die Vorrangstellung ist dementsprechend in der Tradition der „Diener der Diener Christi“ zu suchen und nicht in den von der Ultramontanen Zeit abhängigen Allmachtsphantasien. Diese lassen sich zudem mit einer synodalen Kirche nicht ineinsbringen. Gleichzeitig sollten die Erfahrungen aus der orthodoxen Kirche aufzeigen, dass eine letzte Instanz nötig sein kann, um die Einheit zu wahren. Das hat nicht erst das fehlgeschlagene Panorthodoxe Konzil von Kreta (18.-26- Juni; ohne Teilnahme der Patriarchen von Antiochien, Georgien, Bulgarien und Russland) gezeigt, sondern einige Irrungen und Wirrungen und interne Abspaltungen der orthodoxen Kirche insgesamt. Ein offener Dialog sollte beides im Blick haben aus einer christozentrischen Perspektive. 10

  1. Dies mündet in eine zweite Sicht, nämlich die von sich ausgleichenden, korrelierenden Prinzipien: Eine Allmacht ohne Rückbindung ist eben so sinnlos wie eine allgemeine Uneinigkeit. Bestes Beispiel hierfür ist das Konzil von Konstanz von 1414-1418 und noch mehr das Konzil von Basel (1431-1449) bzw. Basel/Ferrara/Florenz/Rom [Ende in Rom] (1438-1445). Ich bin kein Historiker für Mittlere Kirchengeschichte, aber die Forderungen der Synodalen haben an dieser Stelle zu einer mittleren Kirchenkrise geführt, aber immerhin bestand damals, wie auch 1274 beim Zweiten Konzil von Lyon, für kurze Zeit eine Kirchenunion und der das Schisma mitbegründende filioque-Streit wurde grundsätzlich gelöst mit Blick auf die unterschiedlichen Hinsichten in der späteren fränkischen Theologie bzw. der orthodoxen Theologie. 11

Die beiden Modelle von Kirche, also das orthodox-synodale und das katholisch-hierarchische wäre dementsprechend miteinander zu versöhnende Ausdrucksweisen der einen, heiligen, apostolischen Kirche, die dadurch auch zu einer größeren Übereinstimmung dieser Kirchen mit der wahren, himmlischen Kirche Christi führt.

1 Zurückgehend unter anderem auf einen Artikel von Vinzenz Pfnür, „Anerkennung der Confessio Augustana?“, in: Internationale Zeitschrift Communio, 4 (1975), 298-307.

2 S. hierzu Wolfhart Pannenberg, „Die ökumenische Bedeutung der Confessio Augustana“, in: Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Klasse , 6 (1981), 3-22, hier 5-11.

3 S. ebd., 7-11.

4 Erwin Iserloh, „450 Jahre Confessio Augustana. Eine Bilanz“, in: Catholica 35 (1981), 1-16.

5 Josef Ratzinger, „Anmerkungen zur Frage einer "Anerkennung" der Confessio Augustana durch die kath. Kirche“, in: MThZ 29 (1978), 255-237

6 CA, Art. 10, in: Bekenntnisschriften der Evangelischen Landeskirche in Baden, hg. v. Evangelischen Presseverband für Baden e.V., 8., v. neu bearb. u. erw. Aufl., Karlsruhe 1988, 40.

7 Was ist aus dem Neuanfang geworden? Martin Niemöller im Gespräch: Neue Stimme. Ökumenische Monatsschrift zu Fragen in Kirche, Gesellschaft und Politik, Heft 4, 1980, 5-9, S. 9.

8 Vgl. hierzu Karl Rahner, „Das neue Bild der Kirche“, in: SThZ 39 (1966), 4-24, hier 9f.

9 Ioan Moga, „Es ist Zeit für eine Antwort. Papstprimat: Reden Katholiken und Orthodoxe aneinander vorbei?“, in: KNA Öki 15 (10. April 2018), Dokumentation IV.

10 Vgl. ebd.

11 Vgl. ebd.