An einem ersten Klangbeispiel aus dem 1980 entstandenen »Trio« wurde die für die meisten Werke Morton Feldmans gültige, durchaus konventionelle Herkunft von Tonmaterial und Notationstechnik erkannt. Der spezifische Zugriff des Komponisten auf sein Material ließ sich dann vom Werdegang des 1926 geborenen, in New York aufgewachsenen Komponisten her interpretieren. Die Subtilität Anton von Weberns ebenso wie die Unmittelbarkeit des Umgangs mit dem Klang, die er bei Edgard Varése erlebte, waren für Feldman prägend. Die Verbindung beider Einflüsse demonstrierte der Versuch, ein »webernsches« kleines Stück (Durations 3) aus dem Jahre 1961 nicht als linearen Verlauf, sondern als »plastisches« Klangobjekt zu hören.
Die »Befreiung des Klanges«, wie Feldman sie verstand, war weder eine Emanzipation des Geräuschs wie bei Varése, noch die »Befreiung des Interpreten« wie in bestimmten Spielformen der Aleatorik. Sie meinte vielmehr das Freimachen der Klangerfahrung von außermusikalischen Implikationen und von übergeordneten musikalischen Formvorstellungen. Die übliche musiktheoretische Begrifflichkeit wurde von Feldman darum weitgehend vermieden. Ersatzformen bot die an der Rezeption der Bildenden Kunst erworbene Sprache, z.B. der Begriff des (Klang-) Bildes. Für das Spätwerk (z.B. das »Trio«) sind Sache und Begriff der »patterns« wichtig.
Der zweite Teil des Referats stellte den Bezug zu Feldmans Musikerfreunden (u.a. John Cage, Earl Brown) her, vor allem aber den zu den Malern des New Yorker Abstrakten Expressionismus (u.a. Jackson Pollock, Philip Guston, Mark Rothko), mit denen sich Morton Feldman jahrelang im Gedankenaustausch befand. Vom Erlebnis avantgardistischer bildnerischer Techniken her (z.B. der »all over«-Malerei des Jackson Pollock) hat Feldman scheinbar selbstverständliche Prinzipien musikalischer Formgebung in Frage gestellt (z.B. die formbetonende Bildung von Anfang und Ende eines Stücks).
Den Schluss des Referates bildete eine eingehende Analyse des Mark Rothko gewidmeten Werkes »Rothko Chapel«, das Feldman für eine Gedenkfeier in diesem von Rothko selbst entworfenen und ausgemalten Meditationsraum schrieb. Details und Gesamtform der zwischen symphonischer Anlage und Patternstruktur eigenartig schwankenden Musik zeigen, dass der Anlass der Komposition und die Einbeziehung seiner Musik in das in sich geschlossene Environment der Rothko Chapel Feldmans Asthetik einer großen Belastungsprobe ausgesetzt haben. Hinter den hörbaren Verwerfungen der musikalischen Oberfläche werden Erinnerungsbilder erkennbar, die sich der Komponist aus der Geschichte der Kunst wie aus der eigenen Biographie für das Bestehen seiner Aufgabe zu Hilfe gerufen hat.