Der Vortrag ging der Frage nach, ob nicht den politischen Strukturen und der politischen Praxis des Alten Reiches trotz seines sang- und klanglosen Untergangs zu Beginn des 19. Jahrhunderts etwas innewohnt, was für die aktuelle Lage der EU von Interesse sein könnte. Um diese Frage beantworten zu können, wurden zunächst die politischen Grundstrukturen des Alten Reiches in Erinnerung gerufen. Sodann wurden an drei Beispielen politische Prozesse aus der Zeit von 1648 bis 1745 vorgestellt. Es ging jeweils um das spannungsvolle Geflecht von Kaiser, Reichsständen und den größeren Territorien.
Dabei zeigte sich, dass die Reichspolitik nach 1648 nur noch Friedenspolitik sein konnte, was zwar angesichts der Erfahrungen des Dreißigjährigen Krieges verständlich, aber angesichts der neuen Qualität der französischen Politik unter Ludwig XIV. auch äußerst risikoreich war. Dem Kaiser gelang es vor allem deshalb, wieder eine führende Position in der Reichspolitik einzunehmen, weil er sich als Sachwalter der Interessen der »kleinen« Reichsstände erwies. Die politischen Abläufe waren zwar im Reich ungleich komplizierter als etwa im zentral gesteuerten Frankreich, jedoch waren sie von ausgeprägt rechtlichem Denken bestimmt.
Im dritten Teil wurde dann nach einer möglichen Inspiration für die aktuelle Lage der EU gefragt. Natürlich kann nichts einfach übernommen werden; aber im Verhältnis der starken zu den schwachen »Staaten«, im streng rechtlichen Denken und in der absoluten Vorrangigkeit des Friedens als Ziel der Politik sind inspirative Kräfte nicht zu übersehen.