Zunächst wurde dargelegt, dass der Begriff »Europa« alles andere als eindeutig ist. Man kann zumindest eine geographische, eine kulturelle und eine politische Dimension unterscheiden; Und selbst die vielleicht einfachste Dimension, die geographische, hat seit der Antike (Herodot) über das christliche Mittelalter (Isidor von Sevilla) bis heute allerlei Wandlungen durchgemacht.
Sodann wurde aufgezeigt, welche politische Rolle das Christentum in der europäischen Geschichte gespielt hat. Ausgangspunkt ist die konstantinische Religionspolitik. Er wollte dem Christentum eine »staatstragende« Rolle zuweisen, was allerdings nicht völlig gelang. Aber die politische Entwicklung in Europa, sowohl im Osten (Byzanz) wie im Westen (Frankenreich, westeuropäische Königreiche) ist bis in die Neuzeit hinein vom konstantinischen Ansatz geprägt.
Erst mit Aufklärung und Französischer Revolution setzte sich eine neue Denkweise durch: Der Staat wird als säkular begriffen, Religion wird zur »Privatsache«. Fast alle europäischen Verfassungen enthalten heute diese Grundsätze, und auch die verschiedenen Christentümer haben gelernt, sich mit dieser Denkweise zu arrangieren.
Erst die deutliche Zunahme von nichtchristlich-religiösen Bevölkerungsgruppen überwiegen islamischer Tradition hat die Frage nach dem Verhältnis von Europa und Christentum wieder aktuell gemacht. Dabei lassen sich zwei Dinge kaum leugnen: Die Basis, auf der die EU politisch steht, ist nicht das Christentum. Und: Die Basis, auf der das heutige Europa kulturell ruht, ist ganz überwiegend das Christentum. Hängt also die zukünftige Entwicklung davon ab, wieviel die christlich-kulturelle Tradition noch zu leisten vermag? Ist es aber nicht auf der anderen Seite ebenso wichtig, dass alle in Europa lebenden Menschen die gesellschaftlichen »Segnungen« der Säkularisierung ratifizieren und auf eine politische Rolle ihrer Religion ebenso verzichten wie das die Christen schon getan haben? Es wird für die Zukunft viel davon abhängen, ob es den politisch Verantwortlichen gelingt, eine für alle Bewohner Europas verbindliche Richtschnur zu etablieren; und das kann eigentlich nur die Verfassung sein.