Pommersfelden, der Ursprungsort unseres Kreises, ist in mancher Hinsicht stilbildend gewesen: architekturgeschichtlich für das Schloss des Spätbarock, historisch als Sitz einer mächtigen niederadeligen Familie auf dem Sprung in den Fürstenstand. Erbaut 1713-1720 vom Mainzer Erzbischof und Kurfürsten Lothar Franz von Schönborn (+ 1729) im Stil des Wiener Barock für seine Familie, beherbergt es bis heute eine bedeutende Kunstsammlung und ist nach wie vor in Familienbesitz.
Nordkirchen, als das „Westfälische Versailles“ vielfach gerühmt und beworben, erbaut 1703-1718/34 für den münsterischen Fürstbischof Friedrich Christian von Plettenberg (1644-1706, reg. ab 1688) und seinen Neffen Ferdinand (1690-1737), folgt zwar in seiner Architektur dem Stil des niederländischen Barockklassizismus, weist aber viele strukturelle Ähnlichkeiten zu Pommersfelden auf: die niederadeligen Erbauerfamilien lancierten eine Vielzahl von Söhnen in den Domkapiteln von Fürstbistümern, bildeten Netzwerke und nutzten so die Herrschaftsstrukturen der geistlichen Staaten zum Aufstieg tüchtiger Sprösslinge in den Fürstenstand. Beide Familien profitierten eben durch den Erwerb eines Schlosses und weiterer Besitzungen von evangelischen, herrschaftsfernen Adelsfamilien für eine Familienstiftung (Fideikommiss) in katholischer Umgebung. In zweiter Generation gelang ein weiterer Aufstieg durch politische Ämter an Fürstenhöfen, für die Schönborn am Kaiserhof in Wien, für die Plettenberg am kurkölnischen Hof in Bonn, wo Ferdinand von Plettenberg ab 1723 für zehn Jahre als leitender Minister des Kölner Kurfürsten und münsterischen Fürstbischofs Clemens August v. Bayern wirkte.
Für Plettenberg ist der Aufstieg der Schönborn das große Vorbild. Fürstliche Repräsentation, etwa durch einen prächtigen Schlossbau und eine Kunstsammlung, macht den sozialen und politischen Aufstieg sichtbar. Die Nähe zum Kaiserhaus in Wien ermöglicht Standeserhöhungen; Plettenberg bemühte sich um die Nachfolge eines Schönborn als Reichsvizekanzler in Wien. Er fiel allerdings 1733 nach vierzehnjähriger Amtszeit in Ungnade und erlitt einen Karriereknick, der auch einen Aufstieg am Wiener Kaiserhof erschwerte. Immerhin war es ihm gelungen, seinen einzigen Sohn mit einer Gräfin Lamberg aus Wiener Hofadel zu vermählen – und seine Tochter mit dem Grafen Schönborn-Wiesentheid, den Herrn von Pommersfelden! Der frühe Tod Ferdinands bedeutete fast den Ruin des überschuldeten Besitzes; die Kunstsammlung wurde zerstreut, mit seinem Urenkel starb die Familie 1813 aus. Nach Besitzübergängen an die Familien Eszterházy (1833) und Arenberg (1903) gehört das Schloss seit 1958 dem Land Nordrhein-Westfalen, das viel für die Erhaltung der historischen Substanz leistet.

Lit.: Karl-Eugen Mummenhoff: Schloss Nordkirchen, neu hrsg. und überarbeitet von Gerd Dethlefs, München / Berlin: Deutscher Kunstverlag, 2012.