Das Lutherjubiläum sollte am Kreis nicht spurlos vorbeigehen. Behandelt wurde eine der großen Schriften Martin Luthers aus dem Jahr 1520: De captivitate babylonica ecclesiae – Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche. Vgl. die zweisprachige Ausgabe: Stuttgart 2016 (=Reclam Nr. 18616). Drei Fragen stehen dort im Mittelpunkt:


1. Die Forderung der Kelchkommunion für alle

Luther kommt zu dem Schluss (concludo itaque): Den Laien den Kelch zu verweigern ist unfromm und tyrannisch (impium et tyrannicum), weder ein Engel noch ein Papst noch das Konzil von Konstanz haben die Autorität dazu. Ein Leitsatz Luthers lautet: „Das Sakrament gehört nicht den Priestern, sondern allen und nicht sind die Priester Herren, sondern Diener, die beide Gestalten darreichen müssen, sooft sie darum gebeten werden und sooft man sie bittet.“

2. Die Frage der Realpräsenz

„Seht, Feuer und Eisen als zwei Substanzen werden im glühenden Eisen so vermischt, dass jeder Teil Eisen und Feuer [zugleich] ist. Warum sollte  nicht viel mehr der verklärte Leib nicht in jeglichem Teil der Brotsubstanz sein können?“ Mit Hilfe solcher und ähnlicher Beispiele legt Luther den Einsetzungstext nach Matthäus aus. Als Exeget hat Luther nicht vermieden, den Wortlaut deutend auch zu verändern, wenn aus dies/hoc ein hic panis wird. Obwohl Luther sagt, Brot bleibe Brot, betonte er dennoch die wirkliche Gegenwart von Leib und Blut Christi im Abendmahl und hielt diesbezüglich an der überkommenen Lehre fest.

3. Die Messe – kein gutes Werk, kein Opfer

Luther holt hier weit aus. Die Messe ist nichts anderes als das uns von Gott gegebene Versprechen der Sündenvergebung, das durch den Tod des Sohnes bekräftigt wird. Verheißung und Testament unterscheiden sich nur dadurch, dass ein Testament erst gilt, wenn der Tod des Erblassers eingetreten ist. Daraus zieht Luther einen grundlegenden Schluss:
Die ganze Kraft der Messe besteht in den Worten Christi, welche die Vergebung der Sünden allen verheißt, die glauben. Dieser Verheißung hat Christus ein Zeichen beigefügt, indem er in Brot und Wein seinen Leib und sein Blut gab, und den Auftrag damit verband, sein Gedächtnis zu feiern. Wort und Zeichen gehören zusammen. Das Wort Christi ist das Testament, Brot und Wein sind das Sakrament. Als eigenständiges Opfer (der Kirche) kann die Messe nicht verstanden werden.