Die durch Husserl ausgelöste phänomenologische Bewegung beeinflusste Anfang des vergangenen Jahrhunderts sowohl die Kunstpraxis als auch die Kunsttheorie. An ausgewählten Beispielen aus der Malerei – den Umsetzungsversuchen einer musikalischen Fuge ins Visuelle durch Neugeboren, Albers, Kandinsky und Kupka – konnte gezeigt werden, dass die phänomenologische Frage nach der Eigengesetzlichkeit von Kunstformen und -gattungen nicht nur theoretisch, sondern im Werk selbst thematisiert wurde. Nicht zufällig war es die Musik Bachs, die Künstler und Theoretiker zu dieser Selbstbesinnung inspirierte, standen die 1910er Jahre doch im Zeichen einer zweiten Bachrenaissance. Auch in der Musiktheorie war es das Bach—Buch Ernst Kurths von 1917, das den Beginn einer phänomenologischen Bewegung innerhalb der Musiktheorie markierte. Anhand von Zitaten Kurths und Husserls (Vorlesungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtseins) sollte der Nachweis erbracht werden, dass Kurth mit dem von ihm so genannten Phänomen der musikalischen »Energie« Zeitlichkeit in ihrer elementaren Form des reinen Flusses beschrieben hat. Die verstärkte Auseinandersetzung mit »Zeit« und ihrer spezifischen Gestaltung im Musikwerk, wie sie am Ende des Vortrags als kennzeichnend für die Musik des 20. Jahrhunderts dargestellt wurde, kann als Folge jener phänomenologischen Reflexion interpretiert werden.