Der 1953 geborene italienische Komponist Ivan Fedele ist trotz eines durchaus umfangreichen Gesamtwerks hierzulande noch relativ unbekannt. Sein Streichquartettschaffen umfasst bisher vier Werke, von denen drei derzeit auf Tonräger erhältlich sind.
Die Beschäftigung mit Fedeles Kompositionsweise begann mit der Analyse des Scherzo-Satzes seines 1981 komponierten ersten Quartetts mit dem Untertitel »per accordar«. Das Stück zeigt eine eigenwillige und – bis in die Stimmigkeit der Taktzahlen hinein – konsequente Lösung des Problems, eine Form aus der Gegensätzlichkeit ihrer Teile heraus zu entwickeln. Aus der taditionellen Gegenüberstellung von Menuett/Scherzo und Trio wird ein mehrfach abgestuftes Wechselspiel zweier gegensätzlicher Artikulationsweisen aus dem die komplexe Struktur einer einheitlichen Form erwächst.
In seinem aus einem Radiofeature über die Philosophie der Vorsokratiker hervorgegangenen zweiten Streichquartett sind die fünf Sätze je einem der vorsokratischen Philosophen zugeordnet und mit mottoartig gebrauchten Stichworten zu deren Philosophie versehen. Mein Referat versuchte, – unterstützt von Erläuterungen Rotraud Hansbergers zur vorsokratischen Philosophie – aus diesen Vorgaben Gesichtspunkte für die Analyse der einzelnen Sätze zu gewinnen.
So erwies sich die Form des Anaximander gewidmeten ersten Satzes darstellbar als ein von der Vorstellung des Unbegrenzten (»Apeiron«) und seines Gegensatzes beherrschtes Klangspiel. Der zweite Satz, der sich auf Pythagoras beruft, macht auf mehreren Werkebenen (tonal, formal, aufführungspraktisch) die Zahl als musikalisches Ordnungsprinzip auffällig. Im dritten Satz, Heraklit zugeordnet, betont schon die Spielvorschrift (»scorrevole« = »fließend«) den unsteten Charakter des Stückes, in dem die musikalischen Gestalten, in eine gleichbleibende Gegensatzbeziehung eingebunden, sich stets verändern, und der Schluss schon den Keim des Wiederbeginns in sich trägt. Der vierte Satz handelt, laut Fedele, »vom Einen« des Xenophanes, das der Komponist als »Licht« interpretiert. Er verwandelt seine Vorstellung in suggestive musikalische Lyrismen, die flackerndes Feuer und aufsteigenden bzw. herabkommenden Lichtstrahl assoziieren lassen. Der letzte Satz, dem Anaxagoras gewidmet, beschwört musikalisch noch einmal das Chaos. Die Spuren einer Ordnung sind hier allenfalls in den Rückbezügen zu den anderen Sätzen zu finden, die das Stück enthält, vor allem in der Gegensatzbeziehung zum vorangegangenen Satz. Die Formanlage zeigt also im Großen ähnliche Verknüpfungsweisen wie im Detail des je einzelnen Satzes.