Das seit 1945 bestehende internationale System der Vereinten Nationen und ihrer Rechtsordnung ist in mehrfacher Hinsicht obsolet und ineffizient geworden, insbesondere bezüglich der Durchsetzung des Gewaltverbots und des Schutzes elementarer Menschenrechte. Ansätze zur Reform der UNO und ihrer Adaptierung an die heutigen Realitäten und Erfordernisse scheiterten bisher. Vor diesem Hintergrund entwickelte sich der sogenannte Unilateralismus mächtiger Staaten, v.a. der USA, andererseits aber auch eine weltweite Bewegung zu einer fortschreitenden Konstitutionalisierung der internationalen Gemeinschaft und ihrer normativen Gemeinschaftswerte (z.B. Umweltschutz, Codes of Conduct bezüglich Produktionsbedingungen und sozialer Rechte, etc).
Die Globalisierung führt generell zu einer Schwächung der politischen Effektivität von Nationalstaaten und zur Entstehung einer internationalen Zivilgesellschaft, die sich zunehmend organisiert und sich normative Regeln gibt. Diese neuen Akteure sind Multinationale Konzerne, transnationale NGOs, private Schiedsgerichte, transnationale Protestbewegungen, »global public networks«.
Im zweiten Teil des Referats wurde der Ahtisaari-Plan für das Kosovo besprochen.
Der Plan war eine Mischung aus Verfassung und internationalem Vertrag und zielte darauf, sowohl die Binnenverhältnisse des Kosovo als auch dessen außenpolitischen Status festzulegen. Vorgesehen war ein Gebilde, das einerseits ein völkerrechtlich selbständiges Subjekt darstellt, andererseits aber unter der Aufsicht ­– und dem Schutz – eines internationalen Organs steht und daher nur über eine stark verminderte Souveränität verfügt. Der Ahtisaari-Plan wäre somit ein Rückgriff auf frühere Konstrukte gewesen, ähnlich dem Protektorat (wie heute noch San Marino, Andorra, Monaco) oder dem Treuhandgebiet.
In der Tat wird in der Völkerrechtsdebatte immer öfter von »international guardianship”, »neo-trusteeship«, »gradations in sovereignty« oder »shared sovereignty« gesprochen. Diese Terminologie reflektiert die Tatsache, dass es eine wachsende Zahl von Staaten gibt, die aufgrund von Bürgerkriegen, extremer Armut, mangelnder Binnenstrukturen etc. nicht in der Lage sind, den mit der internationalen Anerkennung ihrer Souveränität verbundenen Pflichten nachzukommen und die Erwartungen der internationalen Gemeinschaft zu erfüllen.
Im abschließenden dritten Teil des Referats wurden Konzeptionen der Kollektiven Sicherheit besprochen, die heute viel weiter gefasst sind als die Verhinderung von Kriegen, sondern von jedem Ereignis, das zum Tod vieler Menschen oder zur Verringerung von Lebenschancen führt – also auch ökonomische, ökologische, soziale, hygienische, kriminelle etc. Bedrohungen. In der rezenten Völkerrechtsdebatte hat sich die neue Norm der »responsibility to protect« herausgebildet; damit wächst aber auch der Druck auf die internationale Gemeinschaft, dort zu intervenieren, wo Staaten ihre Bürger vor solchen Bedrohungen nicht ausreichend schützen können.