Der Frankfurter Kupferstecher und Verleger Matthaeus Merian (1593-1650) veröffentlichte ab 1633 das »Theatrum Europaeum« als zeitgeschichtliche Chronik, die seine Erben bis 1718 fortführten. In der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, in der die politische Ordnung Europas statt von den alten Universalmächten Kaiser und Papst nun von souveränen Nationalstaaten dominiert wurde, nahm man Europa nicht als politische und religiöse Einheit wahr, sondern als Schauplatz, auf dem die Monarchen wie auf einer Bühne agierten. Information und das Wissen übereinander – eine europäische Öffentlichkeit – konstituierte Europa.
Merian stellte in diesem Sinne Öffentlichkeit her und machte sich zum Sprecher des Publikums. Sein Blick auf den »Schauplatz Europa« unterzog das Geschehen zugleich der Kritik des Zeithistorikers – dies machen die Titelkupfer des »Theatrum Europaeum« deutlich. Politik beurteilte er nach christlich und humanistisch geprägten Moralvorstellungen – dem Krieg setzte Merian die Vision der Herrschaft von Frieden, Recht und einer überkonfessionellen Wahrheit entgegen. Parallel zur Idee der Staatsräson, die eine moralfreie und geheim betriebene Machtpolitik der Fürsten rechtfertigte, entwickelte sich damit ein moralisches, kritisches Element in den politischen Diskursen: Merian propagierte Europa als ein Kommunikationssystem mit gemeinsamen ethischen Normen.
Das Referat ist gedruckt in dem Sammelband »Europa im 17. Jahrhundert. Ein politischer Mythos und seine Bilder«, hg. von Klaus Bußmann u.a., Franz Steiner Verlag Wiesbaden 2004